Die Geschichte eines indischen Mädchens

Weit weg von hier, in einem Indianerland, lebte ein kleines Mädchen. Sie hatte langes rabenschwarzes Haar, das immer zu zwei sehr langen Zöpfen geflochten war. Um den Kopf trug sie ein buntes Stirnband, in dem Federn steckten. Ihr Name war Inchuchuna. Ihre Mutter und ihr Vater waren auch Indianer und sie lebten in großen Zelten.

Inchuchuna mochte die Lebensweise der Indianer sehr. Sie wusste, wie man ohne Streichhölzer Feuer macht oder wie man auf Felsen malt. Als echtes Indianermädchen verstand sie auch Tiere. Als Inchuchuna älter war, wartete eine Prüfung auf sie. Jedes Indianermädchen hatte sein Pferd. Sie ritten keine anderen Tiere. Für sie waren Pferde die besten Helfer und Freunde. Aber Indianer kauften keine Pferde. Sie mussten ein wildes Pferd finden, es zähmen und kennen lernen. Und das war gar nicht so einfach. Und genau das war die Prüfung, die das Indianermädchen Inchuchuna erwartete. Sie musste ein Pferd für sich selbst finden.

Märchen zum Vorlesen - Die Geschichte eines indischen Mädchens
Die Geschichte eines indischen Mädchens

Seit ein paar Monaten ging sie auf die Wiese hinter dem Wald, wo man ab und zu Wildpferde sehen konnte. Eines davon gefiel ihr besonders gut. Es war so schwarz wie ihr Haar. Seine glänzende Mähne glitzerte in der Sonne. Es war ein wunderschönes Pferd und Inchuchuna wollte es unbedingt zähmen. Aber das würde Zeit und viel Geduld erfordern.

Eine Zeit lang beobachtete sie das Pferd. Eines Tages setzte sich das Indianermädchen auf die Wiese. Sie saß ganz ruhig da und wartete. Nach einiger Zeit hörte sie das Stampfen der Hufe. Sie legte ihre Hand auf den Boden, schloss die Augen und spürte, wie der Boden bebte, als sich die Pferde näherten. Die ganze Herde trabte auf die Wiese. Einige von ihnen begannen, das saftige Gras abzugrasen, andere rannten einfach hin und her, aber das schwärzeste von ihnen schaute immer wieder zu Inchuchuna hinüber. Vorsichtig näherte es sich ihr und versuchte, sie zu beschnuppern.

„Bleib ruhig. Ich muss ruhig bleiben. Komm und sieh mich an, Hübscher, komm schon“, sagte das Indianermädchen leise und bewegte sich keinen Zentimeter. Sie wollte das Pferd nicht erschrecken. Als das Pferd fast neben ihr war, schnaubte es und rannte davon. Aber Inchuchuna gab nicht auf. Sie wusste, dass sie geduldig sein musste. Jeden Tag ging sie auf die Wiese, saß dort und wartete darauf, dass die Pferde hereinkamen. Dann ließ sie sich von dem schwarzen Pferd beobachten und manchmal auch berühren. Die ganze Zeit, in der das Pferd versuchte, sich dem Indianermädchen schüchtern zu nähern, blieb sie geduldig und ruhig sitzen.

Eines Tages, als Inchuchuna auf der Wiese saß und auf die Pferde wartete, rannte plötzlich ein Wolf aus dem Wald. Das junge Indianermädchen erstarrte auf der Stelle. Wenn sie loslief, würde der Wolf sie erwischen. Also blieb sie auf dem Boden liegen und hoffte, dass der Wolf weggehen würde oder dass sie sich verteidigen könnte. Der Wolf schnüffelte um Inchuchuna herum und sah sie mit entblößten Zähnen an. In diesem Moment spürte das Indianermädchen, wie der Boden bebte. Die Pferde kamen in ihre Richtung.

Als sie auf der Wiese auftauchten und das schwarze Pferd Inchuchuna in seiner Mitte sitzen sah und den Wolf so nah bei ihr, zögerte es keine Sekunde und galoppierte auf sie zu. Es bäumte sich vor ihr auf und fing an zu wiehern. Es schlug mit den Beinen kräftig aus und schützte das Indianermädchen mit seinem Körper. Der Wolf sah, dass das Pferd Inchuchuna verteidigte. Er legte die Ohren an und verschwand.

Dann drehte sich das schwarze Pferd zu dem jungen Mädchen, das immer noch auf dem Boden saß, und rieb seinen großen Kopf an ihren Händen. Inchuchuna streichelte ihn und Tränen der Freude liefen ihr über die Wangen. Das schwarze Pferd hatte sein Leben für sie riskiert.

Sie hatte so lange darauf gewartet, dass das Pferd sich ihr näherte. So lange hatte sie gehofft, dass es sie das tun lassen würde. Und jetzt war es zu ihr gekommen. Das Pferd wollte bei ihr sein und hatte sie sogar verteidigt. Ihre Geduld hatte sich ausgezahlt.

Wenn du heute durch das Indianerland gehst, wirst du ein junges und sehr hübsches Mädchen mit langen schwarzen Haaren sehen, das auf ihrem schönen schwarzen Pferd herumreitet. Sie hat weder einen Sattel noch ein Zaumzeug. Sie sitzt einfach auf dem Rücken des Pferdes und hält sich an seiner Mähne fest. Sie vertrauen sich gegenseitig, verstehen sich und beschützen sich gegenseitig.

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